DDIM.projekt // 2018

Interview mit Vera Sandrock: Digitalisierung in Marketing & Communication

 

Die Jury und die Preisträgerin (v.l.n.r.: Sven Astheimer, Vera Sandrock, Dr. Marei Strack und Stefan Burk)

Im November 2018 wurde Vera Sandrock von der DDIM mit dem Preis „Interim Management Excellence“ in der Kategorie „New Interim Management“ für ihr Mandat ausgezeichnet.

DDIM: Frau Sandrock, im November 2018 wurden Sie von der DDIM mit dem Preis „Interim Management Excellence“ in der Kategorie „New Interim Management“ für Ihr Mandat bei der US-amerikanischen Teradata Ltd. aus San Diego, California, ausgezeichnet.

Teradata ist ein amerikanisches weltweit tätiges IT Technologie Unternehmen. Sie haben dort die Position des „Head of International Marketing Communication“ inne gehabt. Die Region International  umfasste ca. 40 Länder, es liefen mehrere strategische fachbereichsübergreifende Change und Digitalisierungs-Projekte, die einen Schnelleinstieg und Ihre Mitwirkung in komplexer internationaler und teilweise agiler Projektstruktur erforderten.

Lassen Sie uns direkt starten mit der Frage, welche Rolle die Digitalisierung heute schon in Ihrem Bereich, dem Bereich Marketing & Communication, spielt?

Vera Sandrock: Es gibt zahlreiche Digitalisierungs- und Automatisierungstreiber im Bereich Marketing. Z.B. bei der Generierung und dem Nurturing von Sales Leads, dem Data Base Management, dem E-Mail Campaigning, beim Customer Relationship Management, der immer stärker zunehmenden Bedeutung von Content Management sowie der Kommunikation über Social Media Channels ganz allgemein.

Ein weiterer Aspekt ist sicher die neue Rolle von Websites: Ich meine die Entwicklung von der früheren Funktion einer „Visitenkarte“ hin zur Sales Lead Generierungs-Maschine. Das bedeutet, dass der Aufbau und der Inhalt einer Website heute ganz anderen Kriterien gerecht werden muss, als das früher der Fall war, um die neuen Ansprüche zu erfüllen.

Darum werden Fallbeispiele oder „Use Cases“ im B2B Marketing immer wichtiger, weil sich der Einkaufsprozess verändert. Einkäufer machen sich zunächst im Internet „schlau“, bevor sie sich auf persönliche Kontakte oder gar ein Gespräch mit den Vertrieblern eines Unternehmens einlassen. Insofern sollte das anbietende Unternehmen Leistung und Nutzen sehr genau auf der Website darstellen – Videos und White Papers dienen der Vertiefung bei potentiellen Kunden, dem besseren Rankings in den Suchmaschinen und – bei entsprechender Abfrage der Kontaktdaten – der Generierung von Sales Leads.

Durch die starke Vernetzung aller Unternehmensaktivitäten und Kundenreaktionen im Internet werden auch die Ansprüche an geeignete Tools zur effizienten Integration, Auswertung und Nutzung immer höher. Die Auswahl und Einführung neuer Tools in internationalen Unternehmen ist von großer Bedeutung für die anschließende dezentrale Nutzung und die Erschließung der angestrebten Nutzenpotentiale in den Marketingbereichen der Regionen und Länder. Beispiele sind z.B. Tools für Customer Relationship Management (wie z.B. salesforce.com), E-Mail Campaigning (wie z.B. Eloqua), Content Management (wie z.B. Kapost).

Für die erfolgreiche Einführung derartig komplexer Tools sind intensive Mitarbeiterkommunikation, Nutzerschulungen und organisierte Erfahrungsaustausche unter den Nutzern mit der Ableitung entsprechender Learnings, sowohl für die Nutzer als auch die Schulungsverantwortlichen, kritische Erfolgsfaktoren.

DDIM: Wie sind Sie im Bereich Marketing & Communication von unternehmensweiten Transformations-Prozessen betroffen?

Vera Sandrock: In vielen Unternehmen erfordert allein die konsequente Ausrichtung des Unternehmens an seinen Kunden und deren Bedarf einen unternehmensweiten Transformationsprozess.

Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Einführung von Customer Experience Management im Unternehmen ansteht. So habe ich z.B. bei einem führenden international aufgestellten Kabelanbieter als Interim Manager in meiner Funktion als Marketingleiter bei der Einführung von Customer Experience Management mitgewirkt. Dabei umfasst Customer Experience Management eben nicht nur die Erhebung von Kundenzufriedenheit und die Entwicklung von Vorschlägen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Es bedeutet vielmehr die kundenzentrierte Ausrichtung des gesamten Unternehmens; d.h. beste Produkte, beste Services, Operational Excellence, digitale Technologien etc. Allein die Aufzählung dieser Schlagworte veranschaulicht die Tragweite der Einführung von Customer Experience Management als unternehmensweiten Transformationsprozesses

DDIM: Das ausgezeichnete Mandat war nun für ein amerikanisches weltweit tätiges Unternehmen. Wie bekommen Sie die zunehmende Internationalisierung in Ihren Mandaten sonst zu spüren?

Vera Sandrock: Aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung wird es immer wichtiger den Marken- und Kommunikationsauftritt in allen Ländern und Märkten einheitlich zu gestalten.Um das zu erreichen, ist es unabdingbar, dass die verantwortlichen Marketing Manager in den Ländern Strategie, Markenbotschaft und Umsetzungsvorgaben einheitlich umsetzen. Insofern ist ein gemeinsames Strategie- und Markenverständnis trotz kultureller Unterschiede in den verschiedenen Ländern extrem wichtig.

Das kann nur über intensive persönliche Kommunikation zwischen Headquarters, Regional- und Länderverantwortlichen erreicht werden.In meiner Verantwortung als Leiter International Marketing Communications lag es, diese Kommunikationsflüsse sicherzustellen.

In diesem Sinne werden im Marketing & Communication Bereich Entwicklungsprojekte oft so aufgesetzt, dass Länder- und Regionalvertreter aktive Rollen im Projekt Management übernehmen und außerdem die Aufgabe haben, ihre Kollegen regelmäßig über den aktuellen Entwicklungsstand zu informieren. Wenn es dann um die Umsetzung in den Regionen und Ländern geht, ist der Austausch im Sinne von Best Practices zwischen den verschiedenen Regionen und Ländern besonders wichtig im Sinne permanent lernender Mitarbeiter.

DDIM: Sind Sie auch von Agilität betroffen?

Vera Sandrock: Absolut – und dabei beziehe ich mich nicht nur auf das Buzzword „agil“, vielmehr beziehe ich mich hier auf „agiles Projekt Management“, das mit klar definierten Rollen und Regeln funktioniert, so war ich z.B. eingebunden in das Projekt „Entwicklung einer neuen Website“ mit mehreren tausend Seiten für meinen Auftraggeber Teradata.

In vielen Unternehmen gibt es Initiativen zur Einführung von agilem Projekt Management. Gerade in kleineren mittelständischen Unternehmen wird mit einem überschaubaren Projekt Team nach der Scrum Methode, also nach Scrum Rollen und Regeln, gearbeitet.

In technologiegetriebenen Konzernen mit komplexen Entwicklungsprojekten – bei denen mehrere zig Projektteams und mehrere hundert Mitarbeiter beteiligt sind – wird häufig bereits nach der Methode SAFe gearbeitet (SAFe = Scaled Agile Frame). SAFe ist ein praxiserprobtes und integriertes Regelwerk zur agilen Steuerung komplexer Entwicklungsprozesse in schlanken Organisationen.   

DDIM: Und welche Rolle spielen dabei virtuelle Teams?

Vera Sandrock: Gerade in internationalen Organisationen spielen virtuelle Teams eine immer wichtigere Rolle. Der kurzfristige Austausch zwischen Mitarbeitern eines Projektes gewinnt an Bedeutung, da sich Markttrends und Kundenbedarfe immer schneller verändern, dennoch zeitnah berücksichtigt werden müssen.

Das Zusammentreffen an einem Ort erfordert zu viele Ressourcen in Form von Reisezeit und Reisekosten. So hatte ich bei meiner koordinierenden Funktionen im internationalen Kontext kaum noch persönliche Meetings auf der Agenda, sondern überwiegend Videokonferenzen über webex oder ähnliche Tools.

DDIM: Das klingt nach spannenden Einsätzen, „am Puls der Zeit“ sozusagen. Lassen Sie uns noch etwas allgemeiner auf Ihre Einsätze schauen. Als Interim Manager springen Sie in Unternehmen ein, wenn unerwartete Vakanzen auftauchen. Was sind typische Situationen, in denen Sie angefragt werden?

Vera Sandrock: Das hat natürlich unterschiedliche Gründe. Es kann beispielsweise die Vakanz sein, die durch die Änderungen in der Organisationsstruktur entstanden ist, oder auch die Kündigung von Mitarbeitern. So werden dann längere Vorlaufzeiten für die Suche und Einstellung einer neuen passenden Führungskraft überbrückt. Auch die Vertretung einer Führungskraft im Mutterschaftsurlaub war ist typischer Anlass für einen Interim Manager Einsatz. Besonders relevant sind dann die strategisch relevanten Projekte, die nicht einfach mal so nebenbei von anderen fest angestellten Kollegen mitgemacht werden können.

DDIM: Sie übernehmen ja im Endeffekt eine Führungsposition auf Zeit. Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren für einen guten Start?

Vera Sandrock: Für mich sind das eigentlich immer die folgenden vier Punkte:

  • Genaues und detailliertes Briefing durch Auftraggeber
  • Gesprächsbereitschaft seitens der Mitarbeiter und Key Stakeholder
  • Zugang zu den wesentlichen Unterlagen/Dokumenten/Tools
  • Aufklärung über mögliche Interessenskonflikte

DDIM: Wie unterscheidet sich denn der Start eines Interim Managers in einem Unternehmen vom Start einer festangestellten Führungskraft?

Vera Sandrock: In gut geführten Unternehmen gibt es für neue Mitarbeiter in Festanstellung i.a. ein Einführungs- und Einarbeitungsprogramm, das sich über mehrere Wochen erstreckt.

Das sieht beim Interim Manager anders aus. Nach einem ausführlichen Briefing durch den Auftraggeber ist es die Aufgabe des Interim Managers direkt loszulegen; Gesprächstermine mit wichtigen Schlüsselpositionen organisiert der Interim Manager selbst und steigt dann direkt in die Projektarbeit ein, um möglichst schnell Projektfortschritte zu erzielen. Schließlich ist der Zeithorizont des Interim Managers viel kürzer als bei den festangestellten Kollegen.

DDIM: Ist Ihre Vorgehensweise beim Start in einem neuen Interim Mandat anders als früher in einer neuen Festanstellung?

Vera Sandrock: Wesentlicher Unterschied ist, dass man nicht „fest“ in einer Position ist, sondern auf Zeit. Und das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Interim Managers von Kollegen und Mitarbeitern.

Respekt, Anerkennung und Wertschätzung erfährt man als Interim Manager nicht unbedingt aufgrund der definierten Verantwortung oder der mit der Vakanz verbundenen Position. Als Interim Manager muss man sich Respekt, Anerkennung und Wertschätzung von Kollegen und Mitarbeitern sehr viel stärker selbst erarbeiten. Respekt vor dem Individuum, Kompetenz, Professionalität, hohe Gesprächs- und Lernbereitschaft und absolut fairer Umgang mit allen Beteiligten sind wesentliche „Inhaltsstoffe“ für den zügigen Aufbau von Vertrauen durch den Interim Manager.

DDIM: Welche Eigenschaften sollten Interim Manager idealerweise mitbringen?

Vera Sandrock: Die Neugierde sollte stark ausgeprägt sein, ebenso die Management Kompetenz und Professionalität. Erfahrung in unterschiedlichen Unternehmen, Branchen und Positionen – auch im Ausland – sind absolut förderlich. Die Erfahrung mit Veränderungsprozessen und Unternehmenstransformationen – insbesondere im Kontext der Digitalisierung und Agilisierung – gehört dazu. Und sehr gute Englisch-Kenntnisse. Weitere Sprachkenntnisse sind vorteilhaft.

DDIM: Kann es sein, dass während eines Interim Mandates Personalentscheidungen anstehen? Wie gehen Sie dann vor?

Vera Sandrock: Ja, definitiv stehen im Mandatsverlauf eines Interim Managers Personal-entscheidungen an. Da nach Ablauf des Interim Mandats andere Personen mit dem neu eingestellten Mitarbeiter zurechtkommen müssen, ist es sinnvoll, andere Stakeholder Kollegen in den Auswahlprozess einzubeziehen.

DDIM: Wenn sich Ihr Mandat dem Ende nähert, läuft das Mandat einfach aus oder stehen bestimmte Abschlussarbeiten anlässlich der „Staffelübergabe“ an?

Vera Sandrock: Es ist wichtig, dass der Interim Manager ein Übergabedokument erstellt und dieses mit den wesentlichen Stakeholdern bespricht. Wenn der neue Kollege schon an Board ist, wird er/sie an derartigen Gesprächen ebenfalls teilnehmen. Das Dokument enthält wesentliche Informationen über Auftrag, Zielsetzung, Zielerreichung und einen Ausblick auf anstehende Maßnahmen, mögliche Hindernisse und Risiken.

DDIM: Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung des Marktes für Interim Management ein?

Vera Sandrock: Da ist ganz klar ein steigender Bedarf erkennbar – sowohl auf Nachfrageseite, also seitens der Unternehmen – als auch auf Angebotsseite; d.h. immer mehr erfahrene Führungskräfte wechseln ins Interim Management.

Besonders wird dies angetrieben durch Digitalisierungs-, Transformations- und Change Prozesse. Viele Unternehmen können das mit den vorhandenen Ressourcen weder von der Kapazität, noch von den Kompetenzen her bewältigen. Viele Transformationsprozesse erfordern spezifisches Know How auf Zeit, das in vielen Unternehmen nicht unbedingt vorhanden ist.

Über Vera Sandrock

Vera Sandrock ist selbständige Interim Managerin und Beraterin für Internationales Marketing mit mehr als 25 jähriger Erfahrung in internationalen Konzernen unterschiedlicher Branchen. Ihre Schwerpunktthemen sind Strategie, Change und Kommunikation im Sinne von Customer Experience Management und Service Excellence. Ihre typischen Engagements sind leitende Funktionen zur Vakanzüberbrückung im Marketing oder im marktgetriebenen Projekt Management.

Vera Sandrock ist Diplom-Volkswirt mit internationalem MBA (INSEAD, Fontainebleau) und zweijähriger Business Coach Ausbildung. Seit einigen Jahren als Interim Manager in internationalen Marketing und Projekt Management Positionen tätig. Zertifizierungen Prince2 und ganz aktuell als „SAFe Agilist“ für Leading Safe (in Lean Agile Organisations). Sie ist Mitglied in der DDIM – Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V., dem Berufs- und Wirtschaftsverband der Interim Management-Branche.

www.route-to-market.de

Über Teradata Ltd., San Diego (USA)

Teradata ist ein führendes IT-Technologieunternehmen mit Standort San Diego, California, USA. Das Unternehmen bearbeitet zahlreiche Märkte in Nord- und Lateinamerika, in Europa, im Mittleren Osten, Afrika und Asien. Teradata verändert durch Daten, wie Menschen leben und arbeiten. Mit Teradata werten Unternehmen all ihre Daten in Echtzeit aus – und das unabhängig davon, wie viele Daten sie haben, wie komplex diese sind oder in welcher Umgebung sie sich befinden: On-Premise, in der Cloud oder wo immer Kunden es möchten. Das ist es, was Teradata unter Pervasive Data Intelligence versteht: Teradatas Antwort auf die Komplexität, Kosten und Unzulänglichkeiten bei Data Analytics.

Im Gartner Magic Quadrant für Data Warehouse Database Management Systeme belegt Teradata seit mehr als acht Jahren durchgehend die Spitzenposition. Das Unternehmen ist notiert an der New York Stock Exchange und erzielte einen Umsatz von 2,14 Mrd. $ im Gesamtjahr 2018 mit mehr als 11.000 Mitarbeitern weltweit.

www.teradata.com

Über die DDIM

Die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM) ist der führende Wirtschafts- und Berufsverband für Interim Management in Deutschland. Sie agiert als Interessenvertretung für ihre Mitglieder sowie als Stimme der Branche. DDIM-Mitglieder sind erfahrene Führungskräfte auf Zeit, DDIM-Partner professionelle Dienstleister in der Interim-Management-Branche.

ddim.de