Brennpunkt Lebensmittelsicherheit

Lebensmittelsicherheit in der Produktion

von Rutger van Rossem | Interim Manager

Rutger van Rossem ist Interim Manager, Berater und Projekt-Manager für die Getränkeindustrie. Als Diplom-Ingenieur für Brauerei und Getränketechnologie liegt sein Fokus auf der technischen Seite der Branche. Nach seinem Studium in Weihenstephan konnte er 29 Jahre Erfahrungen sammeln in namhaften Unternehmen der Brauerei-, Mälzerei- und Getränke-Industrie. Als gebürtiger Niederländer, und nach Stationen in Kanada, Frankreich und Belgien nennt er nun schon seit Jahrzehnten Hamburg sein Zuhause.

Das Umfeld heute
Der Verbraucher hat hohe Erwartungen an Lebensmitteln. Geschmack und Genuss, Preis, ernährungsphysiologische sowie ethische Gesichtspunkte und nachhaltige Produktion spielen eine große Rolle. Nicht zuletzt erwartet der Konsument ein sicheres Produkt. Verbraucherorganisationen und NGOs spielen in zunehmendem Maße eine Rolle in der Bewertung von Produkten und Herstellern. Der Gesetzgeber sieht sich in der Pflicht, den Verbraucher möglichst umfassend zu schützen. Auf europäischer Ebene, auf Bundesebene und auf Länder- und Kommunalebene gibt es demnach eine Fülle von Rechtsnormen auf diesem Gebiet. Für die Lebensmittelindustrie ist es also überlebenswichtig, die Prozesse und Produkte sicher zu gestalten. Die Folgen eines Fehlers können von einer einzelnen Verbraucherbeschwerde, bis hin zum öffentlichen Rückruf oder gar Betriebsstätten-Stilllegung führen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Maßnahmen, die in Produktion und Technik umgesetzt werden können, um solche Krisen zu vermeiden.

Der Chef muss es vorleben
Die Unternehmensleitung muss ein Bewusstsein bei der Belegschaft schaffen, dass die Sicherheit des Verbrauchers und die Einhaltung der behördlichen und gesetzlichen Anforderungen unabdingbar sind, und entsprechende Regeln und Verhaltensweisen vorgeben. Dabei darf auf keiner Ebene des Unternehmens eine Verletzung dieser Grundsätze geduldet werden. Auf Papier hört sich das zunächst einfach an, aber wer zum Beispiel als Verantwortlicher über die Freigabe, Nacharbeit oder Vernichtung gesperrter Chargen entscheiden muss, sieht sich schnell mit dieser Thematik konfrontiert. Der Unternehmer muss die Befugnisse und die Verantwortlichkeiten klar benennen, und entsprechend kommunizieren. Ein QM-System ist eine wichtige Stütze dabei.

Sauberes Sourcing
Die Rohwaren sollten einwandfrei beschaffen sein. Gleiches gilt für produktberührende Verpackungsmaterialien, sowie für Produktionsmittel, wie etwa Schläuche. Beim Einkauf müssen mit dem Lieferanten entsprechenden, verbindlichen Spezifikationen vereinbart werden. Deren Einhaltung sollte bei der Anlieferung kontrolliert werden. Des Weiteren gilt es, durch ein Lieferantenbewertungssystem und entsprechenden Audits sich davon zu vergewissern, wie der Lieferant die Qualität seiner Lieferungen sicherstellt. Auch mit speziellen Anforderungen, wie etwa Migration von unerwünschten Stoffen aus der Verpackung in das Lebensmittel, muss sich der Hersteller auseinandersetzen. Der Verbraucher reagiert beim Thema Kunststoff mehr emotional als rational. Da mag der gefundene Wert auch noch so deutlich unter dem entsprechenden Grenzwert liegen, was nicht drin gehört soll auch nicht drin sein. Übrigens sind nicht nur Kunststoffverpackungen betroffen, auch Adventskalender aus Pappe waren vor einigen Jahren in den Nachrichten.

Hübsch, aber zweckmäßig
Die Verpackung soll ansprechend gestaltet sein und zum Kauf anregen, gleichzeitig aber robust genug sein, beim Transport und im Markt unversehrt zu bleiben. Bei allen Verpackungen soll für den Verbraucher erkennbar sein ob sie schon mal geöffnet wurde, und möglicherweise Verderb oder gar Manipulation ausgesetzt war. Auch falsche Angaben auf einem Etikett können zu einem Rückruf führen, ebenso wenn das Etikett an sich richtige Abgaben enthält, aber auf das falsche Produkt angebracht wurde. Hier muss der Lebensmittelhersteller entsprechende Sicherheitsmechanismen in seine Prozesse einbauen.

First time right, every time right
Die Prozesse müssen so gestaltet sein, dass die Anforderungen, die am fertigen Lebensmittel gestellt werden, jedes Mal erfüllt werden. Dazu sind die Anlagen entsprechend auszulegen. Sie sollten reinigungsfreundlich („Hygienic Design“) und wartungsfreundlich gestaltet werden. Eine Vermischung bei Chargenwechsel ist zu minimieren, um die Genauigkeit der Rückverfolgbarkeit zu erhöhen. Speziell, wenn im Betrieb Allergene verarbeitet werden, ist dieser Vermischung unbedingt durch ein entsprechendes Design zu vermeiden. Dazu gehört dann auch ein allumfassendes Allergenmanagement. Eine Validierung gibt die Sicherheit, dass der Prozess wie gedacht funktioniert. Ein systematisches Veränderungs-Management sichert den Produktionsprozess auch bei Änderungen.

Die Überprüfung der Prozesse erfolgt mittels geeigneten Prüfmittel, deren systematischen Überwachung unabdingbar ist. In einer Arbeitsanweisung muss für den Bediener deutlich niedergeschrieben sein, wie im Falle einer Grenzwertverletzung zu handeln ist, zum Beispiel Nachjustieren der Maschine, Anlagenstopp, oder Benachrichtigung von Schichtleiter oder QS.

Eiserne Regeln
Eine Kontaminierung des Produktes durch Fremdstoffe oder Fremdkörper ist zu vermeiden. Eine geschlossene Anlage bietet hier die meiste Sicherheit. Glas (ausgenommen Verpackungsmaterial), Holz, Schädlinge und andere Fremdkörper sind aus der Produktionshalle fern zu halten. Bei Glas kann ein Glaskataster sinnvoll sein. Bei Holz kann man schon viel gewinnen, wenn man auf dem Einsatz von Holzpaletten in der Produktion verzichtet, oder wenigstens eine räumliche Trennung der Palettieranlagen vom eigentlichen Produktionsraum schafft. Kleine Materialmengen, wie Etiketten, können auf andere Ladungsträger umgepackt werden. Ein Schädlingsbekämpfungskonzept lässt sich meist mit einem Dienstleister gut umsetzen. Ein generelles Hygienekonzept ist unverzichtbar. Dazu gehören Schulungen, zweckmäßige Arbeitskleidung, Umkleide- und Aufenthaltsräume, und Regelungen zu Raucherpausen, Essen und Trinken, Uhren, Schmuck und Piercings.

Dem Lebensmittel auf der Spur
Der Lebensmittelhersteller muss jederzeit in der Lage sein, eine Charge rückwärts und vorwärts lückenlos zu verfolgen. Dies gilt auch für alle Materialien die mit dem Lebensmittel in Kontakt kommen, wie primäres Verpackungsmaterial, Strohhalme oder mitgelieferte Plastikgabel. Ab Wareneingang von Rohwaren und Verpackungsmaterialien sind deren Chargen zu dokumentieren und zu kennzeichnen und bei jedem Prozessschritt mit der Produktionscharge zu verknüpfen. Vorteilhaft ist eine rechnergestützte Lösung, um eine schnelle Auswertung im Ernstfall (und beim Audit) zu gewährleisten.

Risiken analysieren und minimieren
Leder Lebensmittelhersteller in Deutschland ist verpflichtet, eine Gefahrenanalyse durchzuführen und kritische Lenkungspunkte zu identifizieren, in dem er eine HACCP Studie durchführt (Hazard Analysis and Critical Control Points) und regelmäßig überprüft. Kritische Grenzen und einen entsprechenden Prüfplan für den zu überwachenden Wert müssen festgelegt werden, sowie eindeutige Lenkungsregeln bei der Verletzung dieser Werte.

Fazit und Ausblick
Die Lebensmittelindustrie hat heute nach Stand der Technik alle Mittel in der Hand, einwandfreie Produkte auf den Markt zu bringen. Organisatorische Maßnahmen überschneiden sich vielfach mit bereits vorhandenen QM-Systemen. Hier darf natürlich die Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht gelassen werden. Letztendlich muss sich das Unternehmen dann die Frage stellen, ob eine verantwortungsvolle, sichere, und wirtschaftliche Produktion möglich ist, oder ob vielleicht ein anderes Produkt oder einen alternativen Prozess angedacht werden muss.

In unserer schnelllebigen Welt findet die Meinungsbildung in einem rasanten Tempo über Social Media statt. Eine kritische Veröffentlichung durch eine Verbraucherorganisation oder eine NGO kann schnell zu einem Flächenbrand werden. In einer Krisensituation sieht sich der Lebensmittelhersteller vor der Aufgabe, möglichst schnell Daten und Fakten auf den Tisch zu legen. Dies ist nur möglich, wenn er sich im Vorfeld damit beschäftigt hat. Der Unternehmer kommt also nicht umhin, sich in einer Vielzahl von Themen einzuarbeiten. Vor allem bei KMU ist es deshalb durchaus eine Alternative, einen externen Experten hinzuzuziehen.

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